Gerrit Winter über Hingabe, Heilung und ein mutiges Comeback
Gerrit Winter war Teenie-Schwarm – bis ihn fünf Hörstürze zum Ausstieg aus dem Musik-Business zwangen. Jetzt ist er zurück: mit neuer Musik und einem klaren Ziel – echte Hingabe statt falschem Glanz. Im Interview spricht er über seinen Weg, warum Hingabe der Schlüssel zu einem erfüllten Leben ist – und was auch wir Frauen in der Lebensmitte daraus lernen können.
Es gibt Menschen, die begleiten uns nur für einen bestimmten Lebensabschnitt. Schulfreunde. Kollegen. Weggefährten auf Zeit. Ist diese Zeit vorbei, verliert man sich aus den Augen. Vielleicht bleibt noch eine lose Verbindung über Social Media – ein gelegentliches Like, ein Geburtstagsgruß. Doch das war’s dann meistens auch.
Und dann gibt es diese anderen Begegnungen. Menschen, die plötzlich wieder auftauchen – oft genau dann, wenn wir es am wenigsten erwarten. Bei Gerrit Winter war das so.
Ich kam gerade von einer Klinikbehandlung, musste ein Medikament zwei Stunden lang in der Blase behalten. Wer jemals in einer ähnlichen Situation war, weiß: Nichts ist harntreibender als der Gedanke, nicht zur Toilette gehen zu dürfen. Ablenkung tut also gut – und genau da ploppte eine Sprachnachricht auf: Gerrit Winter.
Wir kannten uns von meiner Zeit beim Birgit Schrowange Magazin. Beide enge Freunde, Gerrit zusätzlich ihr Vocalcoach – ein echtes Allround-Talent in ihrem Umfeld. Danach herrschte zwischen uns drei Jahre lang Funkstille.
Natürlich war ich neugierig, wie es ihm inzwischen ergangen war – und wow, da hatte sich einiges getan. Gerrit hat ein neues Buch veröffentlicht – „Das Abenteuer Hingabe“ – und ist vor allem wieder als Sänger zurückgekehrt. Und das mit einem Schwergewicht der internationalen Entertainment-Industrie als Mentor, „Starmaker“ Marvin A. Smith, der auch Superstars wie Helene Fischer oder Kylie Minogue trainiert. Wenn das keine Geschichte ist!
Wir schrieben über WhatsApp, tauschten Sprachnachrichten aus – und dann war klar: Wir müssen reden. Über sein Buch. Über seine Rückkehr zur Musik. Und darüber, wie man in eine Branche zurückkehrt, die einen einst so sehr erschöpft hat, dass es fast das Aus bedeutete. Das Ergebnis: ein sehr persönliches, offenes Gespräch über Sinn, Wandel, innere Arbeit – und Hingabe. Voilá: Das erste Interview auf meiner Website.
Hingabe statt Verbissenheit
Karina:
„Du arbeitest ja jetzt wieder mehr als Sänger – aber eigentlich wollten wir über dein Buch Das Abenteuer Hingabe sprechen, über Coaching. Machst du das überhaupt noch?“
Gerrit Winter:
„Na klar! Mental Health ist mein Thema. Ich hab das nicht gemacht, weil’s gerade in ist. Ich bin Theologe und Musikwissenschaftler – ohne damals zu wissen, dass ich irgendwann mal beides zusammenbringen würde. Ich hab das studiert, und das Leben wusste wohl schon früher, dass ich genau diesen Weg gehe.
Und warum soll man sich entscheiden? Muss man doch gar nicht. Marvin sagt immer zu mir: ‚You know Oprah? Oprah is Oprah. Oprah is „The Color Purple“. Oprah produces movies. Oprah is a host. Oprah is a philanthropist. Oprah is just Oprah.‘“
Karina:
„Da sprichst du ein wichtiges Thema an. Wir haben so viele Rollen im Leben – Ehefrau, Mutter, Tochter, beste Freundin, Vereinsmitglied und so weiter. Aber wenn’s um den Beruf geht, dann sollen wir plötzlich nur eine Rolle haben. Das ist doch irgendwie schade. Ich bin Journalistin und Coach – ich liebe beides. Und wenn ich morgen Lust habe, noch etwas Drittes zu machen, dann darf ich das doch auch.“
Gerrit:
„Genau! Deshalb finde ich’s auch stark, dass du Coaching machst und schreibst. Nichts im Leben ist einfach weg. Ich sag immer: Wenn du rausfinden willst, was dein Purpose ist – schmeiß einfach alles in den Mixer, einmal durchpürieren, und dann kipp’s aus.
Im Grunde mach ich genau das: Ich hab immer Musik gemacht, und ich hab immer versucht, für Menschen da zu sein, irgendwie einen Beitrag zu leisten – of service zu sein.“
Karina:
„Ich glaube, das können manche Menschen in klassischen Jobs gar nicht richtig nachvollziehen. Beim Singen oder Schreiben gibst du so viel von dir selbst rein – das ist nichts, was man einfach wie einen Sachbearbeiter-Job hinter sich lassen kann. Singen und Schreiben, das ist Teil unserer Identität.“
Gerrit:
„Total. Nur macht man leider oft den Fehler, auf Leute zu hören, die selbst in solchen Strukturen arbeiten – oder das, was du tust, abwerten. Marvin sagt immer: ‚If you have a broken car, don’t drive to McDonald’s.‘ Man muss sich gut überlegen, mit wem man spricht. Wenn du kreative Menschen fragst – Leute wie uns – dann sagen die meistens: Ich mach beides. Ich mach das, was mir guttut.“

Ich höre auf Menschen, die meine Visionen teilen
Karina:
„Und wenn man viele Dinge macht, die man liebt, dann ist das ja kein negativer Stress. Im Gegenteil – das ist positiver Stress. Der führt eben nicht zu Burnout oder Hörsturz. Diese Hinzu-Motivation, das ist doch etwas richtig Gutes. Was dabei natürlich auch eine Rolle spielt, ist das Umfeld. In deinem Buch Das Abenteuer Hingabe beschreibst du ja, dass dich das falsche Umfeld als junger Sänger krank gemacht hat. Wie stellst du heute sicher, dass du von den richtigen Menschen umgeben bist?“
Gerrit:
„Ich hab mir inzwischen ein Umfeld aufgebaut, bei dem ich weiß: Das passiert mir so nicht nochmal. Wenn ich zurückschaue – damals hatte ich eigentlich kein echtes Umfeld. Klar, ich hatte ein Management, ich hatte eine Plattenfirma, aber niemanden, der wirklich auf mich aufgepasst hat. Heute ist es andersrum: Ich hatte zuerst Menschen, die auf mich geachtet haben – die gesehen haben, wer ich bin. Und vor allem hab ich das selbst getan. Ich hab hingeschaut: Wer bin ich eigentlich? Und dann haben wir gestartet.
Wenn du jung bist, denkst du: Ich will Musik machen! Und du denkst nicht darüber nach, mit wem du das machst. Hauptsache, du machst es. Heute kann ich mir die Menschen aussuchen, mit denen ich gehe. Und es ist auch kein Zufall, dass wir heute sprechen. Ich setze bewusst auf Menschen aus früheren Wegabschnitten – Leute, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe. Dein engstes Team muss deine Werte teilen. Die müssen das gleiche Mindset haben.
Um noch mal auf das McDonald’s-Zitat zurückzukommen: Wenn du mit einem kaputten Auto zu McDonald’s fährst, kriegst du Pommes und einen Burger – aber dein Auto fährt immer noch nicht. Und jetzt hast du auch noch einen Burger, den du nicht wolltest, und musst ihn auch noch bezahlen. Übertragen heißt das: Du bist wieder verwirrt. Du zweifelst wieder an dir. Du denkst: Ich bin falsch. Heute höre ich – und das war ein langer Weg, der auch Opfer gefordert hat – nur noch auf Menschen, die meine Vision teilen. Die das Leben so sehen wie ich. Die die universellen Mechanismen verstehen. Die auch of service sein wollen, also für andere da sein.
Der größte Unterschied zu früher ist: Ich hab heute kein Ego mehr im Sinne von: Ich muss mir oder anderen etwas beweisen. Ich war mit 20 schon mal in den Charts. Ich hatte Erfolg. Da standen 500 Mädels vor H&M – aber das hat mich nicht glücklich gemacht. Dann kam eine deutsche Platte, lief im Radio – hat mich auch nicht glücklich gemacht.
Heute mach ich das, was ich wirklich machen will. Und klar hoffe ich, dass das viele Leute berührt – aber ich mach’s nicht für sie. Ich mach’s, weil da in mir eine Stimme ist, die sagt: Du musst das machen. Und weil ich mit den Menschen, mit denen ich das heute mache, wirklich gemeinsam durchs Ziel gehen will.
Das ist für mich dieses typische Bild vom Berg und der Wanderung. Und weißt du was? Gerade ist die Wanderung das Geilste.“

Sänger heute. Denn damals war er in einem Umfeld, dem es mehr ums Geldverdienen ging als um Hingabe
zur Musik. Heute ist das anders. Foto & Titelfoto: Stefan Leitner
Karina:
„Ich glaube, um zu solchen Erkenntnissen zu kommen – um bei deinem Bild zu bleiben – muss man erst mal durch ein Tal gegangen sein. Erst danach erkennt man, was wirklich wichtig ist, was einem Spaß macht.
Ich glaube, viele – gerade Frauen – tragen so ein anerzogenes Perfektionsdenken in sich: Du musst brav sein, fleißig, deine Routinen machen, deine Aufgaben abarbeiten, egal ob sie dir Freude machen oder nicht. Es geht oft nur um Pflichterfüllung …“
Gerrit:
„Oprah sagt: ‘Service plus significance equals success‘. Echten Erfolg bekommst du nicht durch Ruhm oder Geld. Wirklicher Erfolg entsteht, wenn das, was du tust, Sinn hat – und einen Beitrag für andere leistet.
Früher dachte ich: Fame gleich Erfolg. Oder Perfektion gleich Erfolg. Und genau dem jagst du dann hinterher. Aber du fragst dich nicht: Was hat mir eigentlich schon immer Freude gemacht? Bei mir war es immer das, was auch für andere Bedeutung hatte – das war im Coaching so, und in der Musik genauso. Vielleicht ist beides deshalb immer noch da, weil mir beides etwas gibt. Und heute ist der Erfolg nur noch ein Nebenprodukt – ein schönes, aber kein Ziel mehr.“
Bewusst zu leben ist besser – und anstrengend
Karina:
„Wenn ich an die klassische Bedürfnispyramide denke – also unten die Grundbedürfnisse, die bei dir längst erfüllt sind – dann hast du ja auch schon sehr früh Bestätigung bekommen: Du warst erfolgreich, du warst in den Charts, du hattest Fans. Du weißt längst, dass du was kannst und dass du gemocht wirst. Diese Art von Anerkennung brauchst du jetzt gar nicht mehr. Du hast fast alle Stufen dieser Pyramide schon durchlaufen – und oben an der Spitze geht es nur noch um Sinn, um Erfüllung. Vielleicht fällt es dir deshalb heute leichter, genau darauf deinen Fokus zu setzen.“
Gerrit:
„Eigentlich sollte es einem dann leichter fallen, ja – weil man die Erfahrung gemacht hat und es besser wissen könnte. Aber die Frage ist: Willst du hinschauen? Und was machst du dann mit dem Wissen?
Ich weiß nicht mehr, von wem der Satz ist, aber da heißt es: Es gibt die Bewussten – und die Unbewussten. Und die Unbewussten können nichts dafür. Vielleicht leben die sogar manchmal einfacher. Aber wirklich besser ist das nicht. Bewusst zu leben ist besser – aber eben auch anstrengender. Du musst deine Komfortzone verlassen, du musst Entscheidungen treffen, du kannst nicht mehr so tun, als wüsstest du es nicht.
Es gibt diesen einen Satz: ‘If you once saw, it you can’t make it unseen.’ Wenn du einmal angefangen hast, bewusst hinzusehen, kannst du’s nicht mehr ignorieren. Ich weiß heute, dass mich Ruhm allein nicht glücklich gemacht hat – also wäre es doch völlig absurd, dem wieder hinterherzurennen. Wenn er kommt – super! Dann weiß ich, dass ich gute Arbeit gemacht hab, dass die Leute es wertschätzen. Das ist schön, dafür bin ich auch dankbar. Aber das ist nicht der Grund, warum ich das mache.
Ich weiß inzwischen, dass es da noch etwas anderes gibt – etwas Tieferes. Und es ist meine Verpflichtung, diesem Weg zu folgen. Wenn ich das nicht täte, würde ich mir jeden Tag dumm vorkommen.“
Karina:
„Viele Menschen hätten Wahlmöglichkeiten – aber sie nutzen sie nicht. Ich bin eher ein Handlungstyp, aber ganz viele sind das eben nicht. Und dann streift das Leben sie nur. Sie nehmen das Ruder gar nicht erst in die Hand. Aber genau das muss passieren. Der Mensch muss in Aktion kommen.“
Info: Gerrits Anfänge als Sänger
Gerrit Winter wurde Anfang der 2000er Jahre als Sänger in der RTL-II-Show Fame Academy bekannt. Nach der TV-Zeit arbeitete er als Model, moderierte u.a. THE DOME, war bei MTV zu sehen und baute gleichzeitig seine Musikkarriere aus.
2009 erschien sein erstes Album Wovon träumst du (Universal Music), begleitet von zahlreichen TV-Auftritten. 2012 veröffentlichte er unter dem Künstlernamen
Gee Road Songs wie King for a Day.
Erfolgreich sein und erfolgreich bleiben
Gerrit:
„Und genau das ist das Schwierige. Ich habe in den letzten drei Jahren ein echt intensives Training gemacht – manchmal 13, 14 Stunden am Tag. Und wenn du von jemandem lernst, der mit den ganz großen Weltstars gearbeitet hat, dann sagt der nicht: Ich bring dir bei, wie du erfolgreich wirst – sondern: Ich bring dir bei, wie du erfolgreich bleibst. Das ist der große Unterschied.
Erfolg kann plötzlich passieren – morgen geht vielleicht dein Song oder dein Text viral. Dann bist du erfolgreich. Und dann? Was machst du danach?
Ich hatte vier Plattenverträge, zwei große Buchverträge – da haben viele Potenzial in mir gesehen. Aber irgendetwas hat gefehlt, irgendetwas hat mich immer wieder ausgebremst.
Deshalb musst du die Extrameile gehen. Nicht, um Erfolg zu haben, sondern um zu verstehen: Wie gehe ich weiter? Wie wachse ich nachhaltig?
Wenn du immer wieder gegen dieselbe Wand läufst, wirst du irgendwann frustriert. Dann wirst du krank. Und irgendwann willst du gar nicht mehr. Dann kommt der Punkt, an dem du überlegen musst: Wie wachse ich drumherum?
Ich liebe dieses Bild von der kleinen Pflanze, die sich durch den Asphalt bohrt, sich durchbeißt und irgendwann ans Licht kommt. Aber dafür musst du bereit sein. Der Mensch ist von Natur aus bequem. Unser Gehirn will nicht leben – es will überleben. Und das ist auch okay, biologisch gesehen. Aber: Wir müssen uns jeden Tag selbst in den Hintern treten.“
Karina:
„Zwischen Hingabe und der Extrameile liegt für viele ein Missverständnis. Viele denken, Spaß bedeutet Leichtigkeit, Entspannung, Passivität. Aber oft kommt der Spaß ja erst, wenn wir uns anstrengen – wenn wir etwas wirklich durchgezogen haben.
Wie erklärst du das?“
Info: Moderator, Theologe & Coach
Neben seiner Tätigkeit als Sänger sah man ihn immer wieder als Moderator – u.a. bei Formaten wie Abenteuer Leben (Kabel 1) oder Die Faktenchecker (RTL). Parallel studierte Gerrit Theologie und Musikwissenschaft und entwickelte sich zu einem gefragten Vocalcoach, Stimmexperten und Businesscoach, u.a. für die London Business School, prominente Persönlichkeiten wie Axel Milberg und Birgit Schrowange und verschiedene TV-Produktionen.
Wir haben keinen VIP-Pass fürs Leben
Gerrit:
„Ich hab da ein schönes Bild: Wenn Kinder rutschen wollen, müssen sie erst mal die Leiter hochklettern. Hochklettern ist stöhnen. Rutschen ist schreien vor Freude. Und dann fragst du sie: Willst du noch mal? Und sie sagen: Ja! Und klettern wieder hoch.
Ich glaube nicht, dass man sich Spaß verdienen muss – so will ich das nicht sagen. Aber ich glaube, Spaß und Anstrengung sind ein Geschwisterpaar. Viele Menschen verlieren den Spaß am Leben, weil sie nicht mehr bereit sind, sich anzustrengen. Sie wollen Glück einfach geschenkt bekommen.
Und wie ich es auch in meinem Buch „Hingabe“ schreibe: Glück findet dich – aber nicht, wenn du auf dem Sofa sitzt und wartest. Du musst raus auf die Wiese. Du musst dich trauen, auch wenn das Leben nicht immer seine Sonnenseite zeigt. Glück kommt nicht zu denen, die resignieren. Es kommt zu denen, die gehen.
Arbeit ist ein großes Wort. Viele denken sofort an Schweiß, an Druck, an Schmerz. Aber so meine ich das gar nicht. Für mich bedeutet Arbeit: die Komfortzone verlassen. Und ja, das kostet Energie – aber es bringt dich wirklich weiter. Denn: Jeder würde tausendmal rutschen im Freizeitpark – wenn man sich nicht anstellen müsste. Aber wir haben halt keinen VIP-Pass fürs Leben.“
Karina:
„Die Balance zwischen verbissenem Arbeiten und Arbeiten mit Spaßfaktor ist schwierig. Dieses Überanstrengen mündet ja oft im Misserfolg – gerade wenn man etwas zu sehr will.
Das schreibst du auch in deinem Buch: Wenn man sich verbeißt, sieht man die Wahlmöglichkeiten nicht mehr, die es eigentlich gäbe.“
Gerrit:
„Genau. Wenn du dich für etwas entscheidest, dann solltest du den Weg auch genießen – nicht nur das Ziel. Das ist wie bei einer Wanderung: Klar, du willst den Sonnenuntergang vom Gipfel aus sehen. Aber der Weg nach oben – die Wanderung selbst – ist auch schon cool. Vor allem, wenn du mit den richtigen Leuten unterwegs bist. Da sind wir wieder bei deiner ersten Frage: Mit wem gehst du los? Wenn du mit den richtigen Weggefährten gehst, macht auch die Anstrengung Spaß.“
Info: Gerrit Winter als Buchautor
**Sei eine Stimme, nicht nur ein Echo** (2021, ZS Verlag, 17 Euro)
Praktischer Ratgeber für mehr Authentizität und Klang – mit Stimm- und Reflexionsübungen, basierend auf Gerrits Expertise als Coach und Musiker.
**Das Abenteuer Hingabe** (2022, Herder Verlag, 18 Euro)
Ein inspirierender Wegbegleiter für alle, die im Leben mehr Leichtigkeit, Sinn und Tiefe suchen – auch im beruflichen Wandel.
Der Weg zur Selbstreflexion
Karina:
„Was ich an deinem Buch besonders mag, sind die Tagebucheinträge …“
Gerrit:
(lacht) „Die zu veröffentlichen war echt nicht leicht. Die waren richtig hart für mich.“
Karina:
„Aber gerade die machen das Buch so authentisch.
Man bekommt ein echtes Gefühl für deine Gefühlswelt in diesen Momenten.
Liest du heute noch manchmal in deinen alten Tagebüchern? Und helfen sie dir, nicht nochmal in so eine Stress-Situation wie damals mit 20 zu geraten?“
Gerrit:
„Ich weiß nicht, ob die Einträge von damals heute noch repräsentativ für mich sind – ich habe mich schon sehr verändert seitdem. Aber was mir auf jeden Fall hilft, ist das geschriebene Wort – egal von wann – und auch das gesprochene Wort.
Wenn du mal bewusst zuhörst, was du selbst so von dir gibst, merkst du:
„Words have power.“
Und wenn du dir dann deine eigenen Gedanken aus der Vergangenheit anschaust, wirst du daran erinnert, was du schon wusstest. Da sind wir wieder bei dem Thema von vorhin: Wenn du einmal Wissen hast, kannst du nicht so tun, als hättest du es nie gehabt.
Dann kannst du nicht einfach weitermachen wie vorher.
Vielleicht hat das, was du mal gedacht oder geschrieben hast, heute keine Relevanz mehr – aber du denkst darüber nach. Und genau dieses Nachdenken schützt dich.
Bei mir ist das so: Ich würde mir wirklich doof vorkommen, wenn ich anderen im Coaching oder auf der Bühne erzähle, sie sollen achtsam mit sich sein – und ich selbst lebe das nicht.
Das kann ich einfach nicht bringen. Authentizität, Verletzlichkeit, zu sich stehen – wenn du das einmal wirklich verstanden hast, gibt es kaum einen Weg zurück.
Natürlich habe ich auch mal faule Tage – logisch. Tage, die super anstrengend sind.
Aber ich glaube nicht, dass mich das nochmal in eine Situation bringt, in der ich fünf Hörstürze hintereinander bekomme. Dafür bin ich heute zu wach.“
Info: Comeback als Sänger
Nach 13 Jahren ist Gerrit Winter voller Hingabe zurück vor dem Mikro – mit internationalem Pop. Seine erste Single BATTLEFIELD war vier Wochen lang die Titelmusik einer großen RTL-Kampagne. Eeine erste EP UNDONE
erscheint am 15. August.
Zeichen erkennen
Karina:
„Dieses Gespür dafür, was einem guttut – die Intuition, die ist eigentlich da.
Was aber oft fehlt, ist die Umsetzung. Ich brauche in solchen Situationen meist ein klares Zeichen, um zu merken: So kann es nicht weitergehen. So wie damals, als ich nach der Tumordiagnose meinen Job aufgegeben habe.“
Gerrit:
„Ich glaube, du hast genau das richtige Wort gesagt: Zeichen. Man entwickelt mit der Zeit eine gewisse Sensibilität dafür. Wir sind alle nicht davor gefeit, in alte Muster zu verfallen, in alte Landminen zu treten – das kann jedem jederzeit wieder passieren. Aber die Fähigkeit, diese Zeichen zu erkennen, wird mit der Zeit größer.“
Coaching als Spiegel für die eigene Entwicklung
Karina:
„Und manchmal braucht man dabei auch einen Sparringspartner – jemanden, der einen zur Selbstreflexion bringt.
Gerade wenn man im Job in so einem Tunnel arbeitet, kommt das Nach-Innen-Schauen oft viel zu kurz.
Ein Coaching wirkt dann wie ein bewusster Stopp: Man hält inne und schaut aktiv auf die eigenen Bedürfnisse, Werte, Gefühle.“
Gerrit:
„Absolut. Die besten Coachings sind die, bei denen du selbst deine eigenen Worte überprüfst – und dabei merkst:
Was rede ich da eigentlich gerade?
Wem erzähle ich das und warum?
Dann fängt echte Reflexion an. Denn wir brauchen in den seltensten Fällen jemanden, der uns sagt, was wir tun sollen – davon gibt’s Bücher und Ratgeber genug. Was wir brauchen, ist jemanden, der uns hilft, selbst zu erkennen, was wir zu tun haben.“
Info: Mit Starmaker im Studio
Derzeit steht Gerrit in Hamburg mit einem internationalen Team von
Top-Produzenten und Songwritern im Studio. Gemeinsam mit Starmaker Marvin A. Smith (u.a. Kylie Minogue, Zoe Wees, Helene Fischer) arbeitet er intensiv an seiner neuen EP, die im Sommer erscheint.
Zum Artist Development gehören tägliche Einheiten in Performance-Training, Vocalcoaching und Accent-Coaching – professionell, leidenschaftlich
und mit Hingabe.
Hingabe als Schlüssel zum Erfolg
Karina:
„Und genau da sind wir wieder bei deinem zentralen Thema: Hingabe.
Sich wirklich einer Sache hinzugeben.“
Gerrit:
„Genau. Am Ende des Tages musst du es machen.
Auch wenn du es dir vielleicht anders wünschst – Erfolg liegt oft jenseits des Wollens.
Ich habe mal einen Satz gehört, der mir total hängen geblieben ist:
„Jenseits des Möchtens und Wollens liegt der Erfolg.“
Wenn du das verstehst, kannst du viel gelassener an Dinge herangehen – und gleichzeitig entschlossener.“
Karina:
„Dieses Selbstbewusstsein fehlt leider vielen.“
Gerrit:
„Ja, weil viele sich ihre eigenen Worte nie richtig bewusst machen. Ich habe das in meinem Buch auch ein paar Mal gemacht – Worte mal zerlegt und angeschaut:
– Gelassenheit heißt: etwas gelassen haben.
– Selbst-Bewusstsein heißt: sich selbst bewusst sein.
– Enttäuschung heißt: von einer Täuschung befreit werden.
Und genau da steckt so viel drin. Words have power. Seitdem ich das begriffen habe – auch dank Marvin – habe ich das Leben nochmal auf einer ganz neuen Ebene verstanden. Hör dir einfach mal selbst zu. Und noch besser: Lass dir deine eigenen Worte mal von jemandem zurückspiegeln. Dann denkst du oft: „Oh Gott, das habe ich eben wirklich gesagt? Das bin ich doch gar nicht!“ Ja, und warum sagst du es dann?
Das zeigt dir: Da läuft noch ein alter Glaubenssatz, ein Programm, das auf deiner Festplatte liegt. Und dann bist du eben noch nicht wirklich selbst-bewusst – weil du dir über dein eigenes Sprechen, Denken, Handeln nicht bewusst bist. Das ist die tägliche Arbeit. Kein Buddha-Level, kein Ziel mit Haken dran – sondern jeden Tag ein bisschen besser verstehen und bewusster werden.“
Groß träumen und mutig handeln
Karina:
„Du arbeitest ja inzwischen viel mit Amerikanern. Ticken die anders? Haben die ein anderes Mindset?“
Gerrit:
„Ja, definitiv – vor allem in der Entertainment-Industrie. Wir reden hier von Menschen, die diese Branche erfunden haben. Von Leuten, auf die die ganze Welt schaut – bei den Oscars, bei den Grammys. Wir reden von einem Land, das Künstler wie Taylor Swift, Beyoncé, Whitney Houston und Michael Jackson hervorgebracht hat. Es gibt in Europa einfach nichts Vergleichbares.
Natürlich haben die ein anderes Mindset. Und für mich ist es eines der größten Privilegien meines Lebens, genau von diesen Menschen lernen zu dürfen. Viele Dinge wusste ich vielleicht vorher auch – aber sie haben mich noch nicht erreicht. Weil vielleicht das richtige Beispiel fehlte. Oder die passenden Worte. Und plötzlich sagt jemand etwas – und es landet.
Ich glaube, genau das fehlt uns hier: der Austausch mit Menschen, die anders denken, anders geprägt sind.
Und nicht, weil die alles besser wissen – die haben auch Donald Trump gewählt.
Auch dort leben Menschen noch wie in der Höhle. Aber es gibt eben auch die anderen. Die, die weiter sind, die größer denken. Und davon brauchen wir in Deutschland viel mehr: Sparringspartner, die uns aus der eigenen Denkblase holen.
Denn wenn jemand aus deinem Umfeld – gleiche Gegend, gleiche Eltern, gleiche Schule – dir sagt: ‚Ja, verstehe ich, dass du da Angst hast‘ … dann bringt dich das null weiter.
Als Marvin mich fragte: ‚Was ist dein größter Traum?‘ sagte ich: ‚Ich will einen Grammy gewinnen.‘ Er nur: ‚Okay, then we should work for that.‘ – ganz normal für ihn.
In Deutschland kannst du das nicht sagen, ohne dass die Leute denken, du bist größenwahnsinnig.“
Bescheidenheit versus Wachstum
Karina:
„Hier wird Bescheidenheit großgeschrieben. Aber aus zu viel Bescheidenheit wächst selten etwas Großes.“
Gerrit:
„Schlimm. Marvin sagte mir direkt ins Gesicht: ‚Gerrit, dieser Satz ist schwer für dich.‘
Ich fragte: ‚Warum?‘ – Seine Antwort: ‚Weil du deutsch bist.‘
Er arbeitet täglich mit Grammy-Gewinnern. Für ihn ist das normal.
Und natürlich: Wenn du großartige Songs machst, darfst du sagen, dass du einen Grammy willst. Das hat mir die Augen geöffnet.
Deshalb: Mein größter Tipp – umgib dich mit Menschen aus anderen Ländern.
Mein Produktmanager zum Beispiel hat afrikanische Wurzeln – und ich kann so viel von seinem anders geprägten Mindset lernen. Ein anderer kultureller Background, eine andere Perspektive, eine andere Hautfarbe – das ist so wichtig. Und genau da fehlt es in Deutschland an Berührungspunkten.“
Fehler machen erlaubt: Warum Offenheit wichtig ist
Karina:
„Du bist natürlich in einer Branche, die international funktioniert.
Ich lebe auf dem Land, in Baden – theoretisch direkt an der französischen Grenze.
Aber viele hier scheuen sich trotzdem, diese Grenze überhaupt zu überschreiten.
Mein Eindruck: Viele Menschen haben Angst vor neuen Erfahrungen, vor dem Risiko.“
Gerrit:
„Und genau das ist die Misere. Wir scheuen uns – aus Angst, Fehler zu machen.
Weil wir perfekt sein wollen.
Meine erste Session komplett auf Englisch – katastrophal. Ich dachte, mein Englisch sei gut – aber gegen einen Amerikaner? Keine Chance. Heute spreche ich überdurchschnittlich gut. Warum? Weil ich geübt habe. Natürlich habe ich mich geschämt, wenn ich Fehler gemacht habe.
Mein Sprachlehrer fragte mich mal: ‚Gerrit, why? Your English is better than my German. Why are you ashamed?‘ Weil wir diesen ständigen Anspruch in uns tragen, alles gleich richtig machen zu müssen. Gerade Frauen. Aber auch ich war so.
Bescheuert, ehrlich gesagt. Offenheit bedeutet, Fehler zu machen.
Und das wiederum bedeutet, sich auch mal zu schämen. Aber das ist der Preis fürs Wachsen – und der ist es wert.“
Karina:
„Da bin ich meiner Mutter sehr dankbar. Schamgefühl hat sie mir quasi aberzogen.“
Gerrit:
„Großartig. Dann wäre meine erste Übung für dich: Sing laut!“
Karina:
„Mach ich! Kein Problem. Ich singe laut – auch wenn meine Stimme wirklich furchtbar ist. Das kannst du dir nicht vorstellen.“
Gerrit:
(lacht) „Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen.“
Karina:
„Doch, doch. Und trotzdem singe ich am liebsten Songs von Whitney Houston.“
Gerrit:
„So wie ich. Sie ist der Grund, warum ich überhaupt Sänger geworden bin. Ich habe alle ihre Platten – sogar die aus Japan!“
Talent ist kein Glücksgarant
Karina:
„Whitney ist meine absolute Lieblingssängerin.“
Gerrit:
„Wirklich? Das wusste ich gar nicht. Meine auch. Ich schick dir gleich mal einen Podcast – ich wurde kürzlich zu ihr interviewt.“
Karina:
„Ich war mal mit Carsten – meinem heutigen Mann – in San Francisco, da waren wir Mitte 20. In einer Bar stand ein Flügel, da haben unglaublich gute Leute Karaoke gesungen.
Und ich? Ich hab natürlich mitgemacht – ausgerechnet Whitney Houston und Billy Joel!
Carsten hat vom Barkeeper Drink um Drink bekommen – wahrscheinlich aus Mitleid.
Aber für mich war es herrlich. Bis heute eines meiner schönsten Urlaubserlebnisse.“
Gerrit:
„Was für eine schöne Geschichte. Ich habe neulich auch einen Song von Billy Joel gesungen – Marvin fordert mich immer, Songs zu singen, die ich gar nicht auf dem Schirm habe.
‚She’s Always a Woman‘ – so ein schöner Song.“
Karina:
„Billy Joel live im Madison Square Garden – das steht auf meiner Bucketlist.“
Gerrit:
„Sag Bescheid – da komm ich mit! Leider ist er ja inzwischen schwer krank.“
Karina:
„Ja, ich hoffe wirklich, ich schaffe es noch.
Whitney… Sie ist so jung gestorben. So dramatisch. Trotz ihrer unglaublichen Stimme, trotz des Erfolgs – sie hat es nicht geschafft, glücklich zu werden. Talent ist kein Glücksgarant.“
Gerrit:
„Weil sie das falsche Team hatte. Und damit sind wir wieder bei unserem Kernthema:
Whitney hatte nicht die Menschen um sich, die aus echter Hingabe bei ihr waren.
Die gesagt haben: ‚Ich will Teil deiner Reise sein – nicht wegen Ruhm oder Geld, sondern aus Überzeugung.‘ Und das ist letztlich das, was einen trägt – oder eben nicht.“
Karina:
„Vielen Dank, Gerrit – für deine Offenheit, deine Klarheit und deinen Humor. Und vor allem für deine Hingabe, mit der du nicht nur deine Musik, sondern auch deine Botschaft in die Welt trägst. Ich bin mir sicher: Dieses Interview wird vielen Menschen Mut machen, sich selbst wieder ein Stück näher zu kommen.“
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Mach es dir schön!
Deine Karina
🎧 Zum Anhören: Die wichtigsten Impulse aus dem Interview
Damit du die zentralen Inhalte dieses Interviews mit Gerrit Winter ganz entspannt mitnehmen kannst, habe ich eine Audio-Zusammenfassung für dich erstellt – ideal zum Anhören unterwegs, beim Spazierengehen oder als kleine Me-Time zwischendurch. Die Zusammenfassung basiert auf diesem Interview und wurde mit einem KI-Tool erstellt. Teile mir gern mit, wie das das findest. Für dein ehrliches Feedback wäre ich sehr dankbar.
Hier bekommst du die wichtigsten Impulse auf einen Blick: praktische Tipps, zentrale Erkenntnisse und Kernaussagen des Artikels, die du einfach hören und sofort nutzen kannst.