Me-Time – der Schlüssel zu mehr Energie
Me-Time – ein Wort, das in den letzten Jahren immer häufiger fällt. Doch was bedeutet es wirklich? Für viele Frauen in der Lebensmitte ist Me-Time weit mehr als ein Trend. Sie ist ein bewusster Akt der Selbstfürsorge und eine Einladung, die eigenen Bedürfnisse wieder in den Mittelpunkt zu stellen.
Die Sport- und Leistungspsychologin Barbara Braun bringt es auf den Punkt: „Selbstfürsorge ist kein Luxus, sie ist eine Notwendigkeit.“ Und dennoch fällt es vielen Frauen schwer, genau das zu verinnerlichen. Zu tief sitzt die Gewohnheit, sich selbst erst an letzter Stelle zu sehen. Kinder, Partner, Eltern, Beruf, Haushalt – alles scheint wichtiger zu sein als die eigene Pause. Dabei wäre genau diese Pause die Grundlage, um all das andere mit mehr Kraft, Freude und Gelassenheit zu tun.

Me-Time als Kraftquelle in der stillen Jahreszeit
Der bunte Herbst, der sich eben noch in den schönsten Farben zeigte, neigt sich dem Ende zu. Nur noch vereinzelt hängen Blätter an den Bäumen. Fast verloren wirken sie da, zwischen den kahlen Ästen. Grau in Grau ist es draußen, der Nebel zieht durchs Land. Schon am Nachmittag wird es dunkel. Die Natur zieht sich zurück – sie gönnt sich ihre Me-Time.
Vielleicht ist das genau die Einladung, die wir brauchen: langsamer zu werden, durchzuatmen, uns zu sammeln. Wenn wir uns erlauben, mit dem Rhythmus der Natur zu gehen, finden wir auch zu unserem eigenen inneren Gleichgewicht zurück. Unsere Seele wird ruhig, unser Geist klarer, und der Körper schöpft neue Energie.
Warum Me-Time gerade in der Lebensmitte so wichtig ist
In der Lebensmitte erleben viele Frauen eine Phase der Veränderung. Die Kinder werden selbstständig, berufliche oder familiäre Strukturen wandeln sich, und der Körper sendet neue Signale. Jetzt ist der richtige Moment, um auf die eigenen Bedürfnisse zu hören.
„Me-Time bedeutet, den inneren Akku aufzuladen, bevor er leer ist“, erklärt Barbara Braun beim Interview für meinen Blog. „Es geht nicht um Egoismus, sondern um Balance.“ Diese Balance entstehe nicht durch große Veränderungen, sondern durch kleine, bewusste Routinen – tägliche Mini-Auszeiten, die Körper und Seele nähren
Karina: Liebe Barbara, wir sprechen heute über ein Thema, das meine Klientel, Frauen in der Lebensmitte, besonders beschäftigt: Selbstfürsorge und die Herausforderung, sich Me-Time zu nehmen. Oftmals fällt es Frauen schwer, sich diese Zeit einzuräumen, weil sie sich schnell egoistisch fühlen. Was entgegnest du dieser Sorge?
Barbara Braun: Das ist eine sehr wichtige und häufige Thematik, gerade bei denjenigen, die gewohnt sind, äußere Ansprüche zu erfüllen. Da ist es wichtig, ein Umdenken zu vollziehen. Man könnte sich fragen, warum sollte ich das nicht tun? Ich sage: Es ist dein Recht, sich um dich selbst zu kümmern.
Ich frage dann auch gerne andersherum: Was spricht denn dagegen? Ich glaube, dann wird es schwierig, rationale Gründe zu finden, warum sich beispielsweise eine Frau nicht jeden Tag die Stunde für sich nehmen soll und irgendetwas für ihr Wohlbefinden tut. Es geht ja nicht nur um körperliches, sondern auch um psychisches Wohlbefinden, darum, sich ausgeglichen zu fühlen und Energie zu tanken. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sie ist eine Notwendigkeit.
Häufig ist es so, dass erst ein gravierender Einschnitt wie eine Krankheit der Auslöser dafür ist, dass man seine Lebensgewohnheiten ändert und sich wirklich um sich kümmert. Wie können wir Frauen dazu ermutigen, gesunde Routinen zu etablieren, bevor dieser Leidensdruck entsteht?
Man muss sich bewusst machen, dass die Etablierung neuer Gewohnheiten am Anfang natürlich auch erst mal super anstrengend ist. Die Belohnung, die man dann bekommt – wie bessere Fitness oder besserer Schlaf –, ist ja nicht direkt da.
Gerade wenn es darum geht, neue Gewohnheiten zu etablieren, sind Kleinstziele das Beste, was man für sich tun kann. Man kann diese erstens leichter erreichen und sie formen zweitens schon eine Gewohnheit.
Welche konkreten Tipps hast du, um diesen ersten anstrengenden Schritt zu gehen und eine Routine in den Alltag zu integrieren, ohne sich sofort zu überfordern?
Ich habe dazu zwei Gedanken: Kleine Schritte machen, aber diese tun. Wenn ich jetzt sage, ich möchte regelmäßig joggen gehen, aber das Wetter ist schlecht, dann kann man sich trotzdem einfach mal die komplette Montur anziehen.
Der zweite und wichtigste Punkt ist, den Druck rauszunehmen und den Leistungsanspruch abzulegen. Es geht nicht darum, sich an Markern zu messen. Der Sinn besteht darin, es zu tun. Man sollte sich bewusst machen: Ich ziehe meine Joggingschuhe an und gehe an den Start. Das ist schon genug.
Viele Frauen haben das Gefühl, wenn sie joggen gehen, müssen sie gleich fünf oder zehn Kilometer in einer bestimmten Zeit laufen. Du sprichst aber davon, diesen Leistungsgedanken abzulegen. Wie funktioniert das?
Man darf sich nach innen orientieren und intrinsische Motivatoren suchen. Motivation basiert nicht auf der Belohnung selbst, sondern auf der Belohnungserwartung. Die äußeren Marker – wie die Daten einer Smartwatch, die Geschwindigkeit oder eben eine gewisse Distanz zu Laufen – können motivationspsychologisch betrachtet kontraproduktiv sein und können von sinnvolleren „Belohnungen“ ersetzt werden. Etwa von dem Gefühl: „Oh, mir tut es voll gut“, oder „Ich merke, ich kann besser schlafen, seit ich das mache“. Oder „Meine Gedanken sind positiver insgesamt“. Das sind Belohnungen, die man erst feststellt oder erkennt, wenn man den Fokus nach innen lenkt.
Wenn du etwa draußen joggst, nimmst du den Leistungsgedanken raus, indem du Freude an der Natur findest. Schau dir an, wie schön das Sonnenlicht durch die Bäume scheint, genieße es mit allen Sinnen. Dadurch trainierst du nicht nur deinen Körper, sondern deine bewusste Selbstwahrnehmung – und sehr wahrscheinlich wirst du ein paar Tage später die nächste Runde joggen.
Intrinsische Motivation
Intrinsische Motivation bedeutet, dass jemand eine Tätigkeit aus eigenem Antrieb und um ihrer selbst willen ausführt – also weil sie Freude macht, interessant ist oder als sinnvoll erlebt wird, nicht wegen äußerer Belohnungen oder Druck.
Beispiel:
Eine Person lernt Gitarre, weil sie Musik liebt und das Spielen genießt – nicht, um Geld zu verdienen oder andere zu beeindrucken.
Das Gegenteil ist extrinsische Motivation. Hier wird etwas getan, um eine äußere Belohnung zu erhalten oder eine Bestrafung zu vermeiden (z.B. Medaillen, gute Noten, Lob, Geld, Anerkennung).
Das heißt, wir müssen lernen, die Zeit, die wir für uns selbst beanspruchen, wirklich zu genießen. Oftmals haben wir aber gar nicht viel Zeit. Wenn man wie meine Kundinnen viel um die Ohren hat – Kinder, Haushalt, Job – wie können wir Me-Time in kleine, gesunde Routinen verwandeln?
Es würde ja schon reichen, wenn man zumindest einmal in der Woche sich ein bisschen auspowert. Aber auch die Beständigkeit üben ist wichtig. Es muss ja nicht immer „schwitzig und außer Atem“ sein. Man könnte sagen: Ich gehe jede Mittagspause 20 Minuten spazieren. Einfach raus an die frische Luft und sich bewegen – das ist auch schon mal super.
Wichtig ist auch, auf sich selbst zu hören. Regeneration und Schlaf sind ein sehr, sehr wichtiger Teil des Trainings. Es gibt das Motto: „In der Pause wachsen die Muskeln“. Du tust etwas für den Körper, wenn du entscheidest, mal nicht 100 Prozent zu geben. Man muss lernen, den Körper zu erleben, reinzuspüren und zu wissen, wann eine Grenze erreicht ist. Vielleicht gehe ich heute mal nicht joggen, sondern nur spazieren. Mit der Zeit wirst du so ein Gespür für deinen Körper entwickeln und erkennen, was er jetzt gerade braucht.
Zeit für dich – Zeit fürs Leben
Selbstfürsorge beginnt mit einer Entscheidung. Nicht mit einem Wellness-Wochenende oder einem großen Neuanfang, sondern mit einem leisen inneren Ja:
Ja, ich darf müde sein.
Ja, ich darf mir Zeit nehmen.
Ja, ich darf auf mich achten.
Wenn wir dieses „Ja“ verinnerlichen, verändert sich unsere Haltung. Wir treten uns selbst mit mehr Milde entgegen und beginnen, auf unseren Körper zu hören. Denn er weiß oft viel früher als unser Kopf, wann es Zeit ist, langsamer zu machen.
Mit zunehmendem Alter verändert sich unser Körper – der Stoffwechsel, der Schlaf, die Energie. Das ist kein Verlust, sondern eine Einladung, uns neu kennenzulernen. Barbara Braun sagt: „In der Pause wachsen die Muskeln.“ Diese Pause dürfen wir uns also nicht nur gönnen – wir brauchen sie, damit wir uns weiterentwickeln.
Me-Time muss nicht groß sein. Sie kann im Duft einer schönen Tasse Kaffee liegen, im Sonnenlicht auf der Haut oder im Spaziergang ohne Handy. Wichtig ist nur, dass wir sie bewusst leben – als kleine Rückkehr zu uns selbst.

Vielleicht ist jetzt, in dieser stilleren Jahreszeit, der perfekte Moment, um genau damit zu beginnen.
Nicht, weil wir müssen – sondern, weil wir dürfen.
Über Barbara Braun
Bewegung gehörte für Barbara Braun schon immer zum Leben. Als Kind stand sie lieber auf der Turnmatte als stillzuhalten – später kamen Ballett und Hip-Hop dazu. Sie lernte früh, sich selbst herauszufordern und dranzubleiben, bis etwas gelang. „Ich üb’, bis ich das kann“, sagt sie noch heute. Diese innere Haltung – Mut, Ausdauer und Neugier – zieht sich wie ein roter Faden durch ihren Lebensweg.
Nach dem Abitur verabschiedete sie sich vom Turnen und suchte neue Reize: Im Kampfsport fand sie sie. Taekwondo, Boxen, Kickboxen und schließlich Mixed Martial Arts (MMA) – Barbara wollte wissen, wozu Körper und Geist gemeinsam fähig sind. Die Disziplin und Körperbeherrschung aus dem Turnen kamen ihr zugute, doch statt den Weg in den Leistungssport zu gehen, entschied sie sich für ein Studium der Psychologie – „etwas für den Kopf“.
Heute nutzt die Sport- und Leistungspsychologin und systemische Organisationsentwicklerin ihre fundierte Coaching- und Training-Expertise, um für Menschen – mit Blick auf eine gesunde Gesellschaft und Demokratie – wirksam zu sein. Neben Coachings und Workshops zu mentalen Gesundheitsthemen und Herausforderungen des „Köpfchens“, bietet sie Infovorträge zu Themen der mentalen Gesundheit an.
Weitere Infos unter: www.Kopfsache-rocks.com
Vielleicht ist jetzt genau der richtige Moment, dir selbst wieder zuzuhören.
Ich unterstütze Frauen dabei, sich diese Zeiten ganz bewusst zu schenken – Momente, in denen du auftankst, dich spürst und zu dir selbst zurückfindest. Ich freue mich, von dir zu hören!
